Berta Rompez-Hüttenrauch  

  

 

 

mit Übersetzungen von

Gilbert de Montsalvat

 

 

                                                                                              Biografie und Nachwort

 

 

 

 

Cubanische Sonette

1958 – 1960

 

© 1961

Silberwuchner’sche Verlagsanstalt, Braunbeuren

mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

1

 

Sommerregen

 

Es fällt auf Blätter grün der Regen,

fällt warm und so unendlich weich.

Die Tropfen perlen auf den Teich,

wo sich der Schwäne Köpfe legen

 

in Zartheit und sich kaum bewegen.

Ein Bild, in sich so sanft und reich,

stets neu und jedesmal doch gleich –

ein Gleichnis für des Wassers Segen.

 

Ich sitze unterm Vordach auch,

wie viele hier in diesen Tagen,

Tabacos Glut in meiner Hand.

 

Hoch über mir schwebt blau der Rauch,

nur Kringel sich nach draußen wagen

ins weite, schöne stille Land.

 

 

2

 

Vor der Revolution

 

Morsch ist Moral jetzt allerorten.

Moral? Ein Wort für armes Pack!

Ein Reicher will in seinem Sack

nur Gold, Devisen, Dollars horten.

 

Es gibt jetzt Gangster aller Sorten

und jedem steht sein schwarzer Frack.

Sie tanzen Tango auf dem Wrack,

das Staat ist nur noch nach den Worten.

 

Hier in Havanna warte ich

nun auf den Sturm, der aufzieht dunkel

und wegfegt aller Heuchler Brauch.

 

Mir ist’s im Herzen fürchterlich,

wenn auch Banditen im Gemunkel

genießen, Puro, deinen Rauch!

 

 

3

 

Abend in Havanna

 

Die Dämmerung ist angebrochen,

die Hitze weicht der Kühle schon.

Das Zimmer ist geschmückt mit Mohn,

Emilia ist schon lang am Kochen.

 

Am Schreibtisch sinn ich über Briefen,

die mir der Líder nächtens schrieb.

Ich habe seinen Eifer lieb

und die Gedanken, all die tiefen.

 

Nun brennen Kerzen auf dem Tische,

es glimmet die Cigarre froh

und die Erinnerung steigt so

 

jetzt auf in mir in alter Frische.

Ich sehe nur noch hell Gefunkel,

der Qualm zieht in der Ecken Dunkel.

 

 

4

 

Revolution

 

Revolution! Das Wort gellt durch die Straßen

Havannas, und fast jedes Kind

lernt es begierig und geschwind.

Des Taumels Wellen schlagen ohne Maßen

 

durch Avenidas und durch Gassen.

Das Alte wirft man ohne Reu

zum andern Alten, und ganz neu

sehn mächtig sich die armen Massen.

 

Und diese auf die Plätze münden,

wo sie, des Sieges ganz gewiss

und durch der Freude Fest geeint,

 

Cigarren frohgemut entzünden,

die man zu Haus schnell mit sich riss. –

Nun sind sie auch im Rauch vereint.

 

 

5

 

Des Reisens müde

 

Und wieder war ich müd vom Reisen,

saß ganz allein in dunkler Nacht

auf des Balkons verblichner Pracht,

so lauschte ich den vielen Weisen

 

und einem Schluchzen, einem leisen,

als wär die Stadt ein großer Schacht,

in dem es weint, in dem es lacht

und unzählbar Gedanken kreisen.

 

Und wieder greif ich zur Cigarre

wie jedesmal in diesen Nächten,

entzünde sie in großer Demut

 

und höre jetzt auch die Gitarre,

die einfällt leise mir zur Rechten,

nehm tief den ersten Zug voll Wehmut.

 

 

6

 

Tage und Nächte

 

Die Tage sind mir oft ein Sarg,

in dem erstirbt des Lebens Singen

und meine Kräfte mit sich ringen,

um stumm zu bleiben, öd und karg.

 

Der Sonne Licht, es ist mir arg,

es bringt mein Wesen nicht zum Klingen,

will mir den Ton nicht wiederbringen,

der sich seit Kindheit in mir barg.

 

Nur wenn die Nacht sich um mich bettet,

und wenn der liebe herbe Duft

des Puros zart sich um mich legt,

 

ist auch der schlimmste Tag gerettet,

ersteh ich aus der Schwermut Gruft,

und eine Symphonie sich in mir regt.

 

 

7

 

Am Meer

 

Über dem Meer seh ich die Sonne sinken,

ein großer roter müder Ball,

der Wiedergänger aus dem All

muss in der Flut stets neu ertrinken.

 

Der Kinder Lachen, die am Ufer winken

den Schiffen zu, ist dünner Schall,

des lauten Treibens letzter Hall.

Schon seh ich einzeln Sterne blinken.

 

Ich zieh an meiner Montecristo Zwei,

gemächlich, achtsam und verzückt

ob all des Eindrucks sanftem Reiz,

 

und die Gedanken, endlich frei,

sind ins Vergangene entrückt –

barmherzig, still und ohne Geiz.

 

 

8

 

Im Casino

 

Wie so oft schon spiel ich Karten

in des Salons feuchter Hitze.

An der Theke: dumme Witze,

Zoten, Sprüche aller Arten.

 

Um mich Augen, die nur warten

auf den Fehler; doch ich sitze

ohne Regung, schweigend, schwitze,

denke an den kühlen Garten.

 

Dann greif ich in meinen Sakko,

zück hervor die Punch mit Lust,

spür den Neid der andern lüstern . . .

 

Endlich qualmet der Tabaco

und ich nehm das Bier zur Brust –

Royal Flush, hör ich mich flüstern.

 

 

9

 

Auf der Tabakplantage

 

Der Feuerball steht hoch am Himmel,

die Arbeit auf den Feldern ruht,

das Leben flieht des Mittags Glut;

im Schatten wiehert matt ein Schimmel.

 

Es ist ganz still – nur das Gewimmel

der Fliegen, dieser Hitzebrut,

umsummset frech den Sommerhut –,

so steht die Zeit, bis das Gebimmel

 

uns wieder in den Tabak ruft.

Bis dahin rauchen wir die Braunen,

und unser Auge folgt den Launen

 

der Kringel, die fein abgestuft;

das Spiel der Schwaden lässt uns staunen,

die leise von den nahen Göttern raunen.

 

 

10

 

Der Torcedor

 

Achtsam, wissend und geduldig walten

seine Hände über jeden Schritt:

Jedes Drücken, jeder Schnitt,

Drehn und Wickeln ist gehalten

 

von geheimer strenger Kunst der Alten.

Keiner, der nicht manchmal litt,

wenn sein Finger fahrig glitt

übers Blatt und presste Falten.

 

Torcedores, ihr seid Helden

des Genusses, und ihr schaffet

wie die allerbesten Töpfer. –

 

Dieses muss ich Euch vermelden,

die Ihr schnöd Cigarren paffet

ohne Ehrfurcht vor dem Schöpfer.

 

 

11

 

Hasta la vista

 

Das Schiff legt ab und teilet deine Fluten,

o Cuba, Perle der Antillen!,

verschleiert nässen sich Pupillen,

mein Herz fängt leise an zu bluten.

 

Der Kessel ist geheizt von Höllengluten,

die dem Kolosse sind zu Willen.

Es gibt kein Trauern mehr im Stillen,

denn dröhnend jetzt Sirenen tuten.

 

El Rey del Mundo! denk ich schnell,

sei du nun bitte mein Gesell,

zu kämpfen wider meine Leere.

 

Und drinnen zünd ich rituell

den Puro an, den einz’gen Quell

der Hoffnung, dass ich wiederkehre.

 

 

12

 

Noblesse oblige

 

Noblesse oblige – gelegt in meine Wiege

ist’s mir: ein Segen und ein Fluch!

Halb Bonvivant und halb Eunuch . . .

doch besser wäre es, ich schwiege.

 

Wenn ich auf meiner Chaiselongue liege

und les in meinem Tagebuch,

ertapp ich oft mich beim Versuch,

die Niederlagen und die Siege

 

jetzt endlich, in des Lebens Mitte,

zu überblicken – doch ich harre

der Antwort bar stets und dann starre

 

in dunkle Nebel ich und bitte,

dass eines doch mich niemals narre:

Noblesse und Würde der Cigarre!

 

 

13

 

Nach der Revolution

 

Was soll ich sagen, was ich meinen?

Jetzt, da der alte Prunk hinweggefegt,

die Macht des Mammons widerlegt,

der lang genug verschlang die Kleinen.

 

Die Zukunft ist nicht zu beweinen

von Cuba, denk ich unentwegt;

denn die Geschichte hat belegt:

Es lernen stets auch die Gemeinen.

 

Wenn nun das Kapital verschwindet

und Bauern nicht mehr lieblos schindet,

so adelt Cubas braunes Gold

 

die Menschen hier; und wer empfindet

den Schatz, der sich in roter Erde findet,

dem lacht die Zukunft lieb und hold.

 

 

14

 

Abendgespräch

 

Wir saßen unter hohen Bäumen

und plauderten von Gott und Welt.

Weit ausgespannt das Himmelszelt

uns kündete von fernen Räumen,

 

in die man während tiefsten Träumen

ganz kurz und einsam zitternd fällt,

wo nichts mehr unsre Zügel hält,

die sonst den Wahnsinn in uns zäumen.

 

Von diesem Gratgang zwischen Welten

erzählet auch dein schwerer Rauch,

o Partagas!, du dunkler Duft,

 

du lässt die Widersprüche gelten,

in die des Nachts ich manchmal tauch,

und hebst sie auf in Weiheluft.

 

 

15

 

Im Valle de Viñales

 

In diesem schönen weiten Tal,

wo Lüftchen leicht die Felder wiegen

und Tabakpflanzen sacht sich biegen,

vergess ich endlich meine Qual.

 

In dieses grünen Gartens Saal

möcht ich für immer sinnend liegen

fernab der städtischen Intrigen,

wo selbst Erfolg schmeckt fad und schal.

 

Hier kann ich endlich ganz gesunden

und sag es jetzt ganz unumwunden:

Ich hass Europas Schmäh und Schmarr’n.

 

Doch schon nach ein paar wen’gen Stunden

ist auch der alte Hass verschwunden –

Ich dank allein es den Cigarr’n.

 

 

16

 

An der Bahía de Guadiana

 

Ich flügle in Gedanken hoch am Meere,

zurück fällt tief hinunter der Verstand,

ich kreise hoch zu Wetters Wand,

von wo ich stürzend wiederkehre.

 

Was ist von alledem die Lehre:

Zu fliegen in des Tagtraums Land,

wo ich mein Selbst dem All verband,

des Einsseins mich nicht mehr erwehre?

 

Es gibt kein Außen und kein Innen,

denn was auch lebt, es lebt in mir.

Ich spüre schwer des Mittags Kalm:

 

Das Leben will in mir beginnen,

ich fühle nur noch Jetzt und Hier

und auf steigt der Cigarre Qualm.

 

 

17

 

Reise nach Sancti Spíritus

 

Noch einmal winkt man den Gevattern

und folget damit altem Brauch;

schon geht ein Kribbeln durch den Bauch,

als würden dort die Motten flattern.

 

Bald hört man nichts mehr als ein Knattern . . .

Der Bischof nickt, du tust es auch.

Der Fahrraum füllt sich schnell mit Rauch;

Tabacos sind’s, die zu ergattern

 

ein jeder suchet in dem Bus,

der alles lässt nun kreischen, schnarren,

verrutschen, quietschen, scheppern, knarren . . .

 

So rauchen wir vergnügt im Schuss:

Betet der Bischof qualmend für die Pfarren,

spendierst du gegen Ablass die Cigarren.

 

 

18

 

Heimweh nach Afrika

 

Wie wild sie rund im Kreise tanzen

am Abend nach der langen Fron.

Verzaubert von dem stillen Mohn,

den oft sie mit dem Tabak pflanzen

 

und, mitgeführt in ihren Ranzen,

ganz spät noch als des Tages Lohn

bei Klängen laut vom Grammophon

gern rauchen in den braunen Lanzen.

 

O süßer Rausch der dunklen Glieder!

O herbe Klarheit hellen Rauchs!

Entführt auch uns in jenes Land,

 

von dem stets künden ihre Lieder,

Begleiter allen Wonneschmauchs,

lasst schmecken uns des Kongos Sand.

 

 

19

 

Juanitos Basen

 

Juanitos sehr verehrte Basen,

weiß, hoch und vornehm von Gestalt

und über neunzig Jahre alt,

kenn ich seit jeher, wie sie lasen.

 

Sie lieben alles, nur nicht Phrasen,

die nun zu hören laut und kalt;

ihr Leben nur den Büchern galt,

und dies sehr wohl in allen Phasen.

 

Doch lasen sie nie ohne Rauch,

in jungen wie in alten Tagen;

das muss ich eben hier doch sagen,

 

und füg hinzu: ich tät es auch!

Aus welken Mündern, die nie klagen,

sieht ständig man Cigarren ragen.

 

 

20

 

In der Bar

 

Spät seh ich müde Männer wanken,

die eigentlich nur einen Drink

vor Stunden nehmen wollten flink;

nun sieht man sie zur Türe schwanken.

 

Und jäh allein mit den Gedanken,

geb ich dem Barmann einen Wink,

dass ich noch einen Cognac trink;

er bringt ihn mir in festen Pranken.

 

Kein Wort sagt er, denn meisterlich

nach langen Jahren kennt er mich.

So öffnet er den Zedernkasten

 

ganz langsam und ganz feierlich;

bis mit dem besten Puro ich

durchbrech mein langes Raucherfasten.

 

 

21

 

Die Störung

 

Wir sitzen unter grünen Linden,

es gurgelt schwach ein kleiner Bach.

Wir spielen andachtsvoll ein Schach,

nur will sich noch kein Ausgang finden.

 

Da hört man plötzlich einen Krach,

als würden sich zehn Männer schinden

und auf dem Boden grimmig winden . . .

Uns ärgert diese Störung, ach!

 

Was sind das bloß für dumme Horden,

die lautstark raufend überborden,

denk ich, die nehm ich jetzt an die Kandare!

 

Sie lassen schließlich doch das Morden,

nachdem sie kurz belehrt sind worden.

Ein jeder schmaucht an der Cigarre.

 

 

22

 

Im Restaurant

 

Ein Gringo sitzt mit mir am Tische,

hält die Cigarre voll ins Feuer,

die lang und dick und ziemlich teuer

und noch ganz feucht in ihrer Frische.

 

„Verzeihen Sie, so nicht!“ – ich zische,

denn dieses find ich ungeheuer.

Obwohl in jungen Jahren scheuer,

ganz resolut ich ein mich mische.

 

Der Gringo nimmt es ganz gelassen

und beißt mit Blecken auf die Braune.

„So what!“, sagt er, „sie wird zu Asche,

 

auch wenn Sie meine Zündart hassen!“

„Oh, die Barbaren!“, da ich raune

und greife deprimiert zur Flasche.

 

 

23

 

Nächtlicher Gast

 

Ich las gerade Shakespeare’s  Lear,

als leis von draußen ein Gewimmer

drang in mein großes Arbeitszimmer;

Nacht war’s, es schlug gerade vier.

 

Was ist das wohl nur für ein Tier,

ich hatte wirklich keinen Schimmer

und an ein Nachschaun dacht ich nimmer.

Da rief ein Mann – und es galt mir.

 

Im Gang stand stumm ein Bettler fahl.

Ich sah, dass er zum Tode litt,

und reichte Trank und Speise.

 

Nach einem nachtbedeckten Mahl

Gab ich ihm einen Puro mit

auf seine lange Reise.

 

 

24

 

Sinn des Lebens

 

Du hörst das Meer von weitem tosen,

ein Rauschen, das im Tal verhallt.

Der Wind bläst heute rau und kalt,

du schwebst im Absichtslosen

 

und schneidest deine weißen Rosen,

fühlst dich sehr müde und so alt.

Ein Mönchlein still vorüberwallt,

übt sich in frommen Posen.

 

Was soll dies alles, dieses Leben,

die Mühen und das leere Streben,

das endet mit der Totenstarre?

 

Die Fragen lassen dich erbeben,

doch fällt dir zu die Antwort eben:

Sie liegt im Qualmen der Cigarre.

 

 

25

 

Menschentand

 

In der Gasse wogt die Menge,

schiebt und tobt und lacht und kocht,

feiert den Sieg, den sie erfocht,

und schmettert fröhliche Gesänge.

 

Hier in Havanna wird es enge,

das Feuer züngelt schon am Docht,

das Volk auf seine Rechte pocht,

die Comandantes auf die Ränge.

 

Ich schließe bald die Balkontür

und sinke auf den Sessel sacht,

setz die Cigarre mir in Brand.

 

Die Schwaden steigen für und für,

mein Blick folgt ihnen mit Bedacht

und ich vergess der Menschen Tand.

 

 

26

 

Die Proberaucher

 

O glücklich alle, die da rauchen

in dieser Kammer wunderbar,

wo jeder ist ein kleiner Zar

und alles, was gerollt, darf schmauchen

 

und so den besten Qualm wird hauchen

von Puros teuer, reif und rar.

Mir war es schon ganz frühe klar:

Wenn man mich doch hier könnte brauchen!

 

Doch ich steh abseits nur und sinne,

warum das Schicksal mir versagt,

was jedes Kind des Volkes kann.

 

Wenn ich dies Grübeln erst beginne,

so brüt ich weiter, bis es tagt,

als armer reicher fremder Mann.

 

 

27

 

Die Götter Cubas

 

Es gibt euch wirklich, Geistermächte,

ihr Götter, fremd mir noch bis heut,

die ihr den Blick von außen scheut

und euch bewahret eure Rechte.

 

Ihr liebt die mondlos-schwarzen Nächte,

in denen ihr das Volk erfreut,

doch gruseln macht oft auch die Leut

im tollen Trommeltanzgefechte.

 

Dann packt ihr euch einen Adepten,

durch den ihr die Cigarren stehlt,

und wirbelt ihn im Kreis herum.

 

Da graut es manchem fremden Käp’ten,

dem plötzlich die Courage fehlt

und schnell verlässt den Ort ganz stumm.

 

 

28

 

Des Tabaks Trost

 

Oh, wie lieb ich diese Erde,

Perle der Antillen, dich,

die genährt hast immer mich,

einen Teil von deiner Herde.

 

Stets verwöhnt ich bei dir werde,

und dies auch bewährte sich,

als der Gleichmut von mir wich

und mich drückte die Beschwerde.

 

Da fand Blätter ich zum Troste,

in der Vuelta fein gereift,

Tabak, Balsam für die Schmerzen.

 

Was mich eben noch erboste,

nun nicht mehr das Herz angreift,

fröhlich kann ich wieder scherzen.

 

 

29

 

Heimweh

 

Im alten Haus ist es schön kühl,

gedämpft scheint alles stark hier drinnen.

Ich liege müd auf meinen Linnen

mit unaussprechlichem Gefühl

 

und blick ins dunkle Vestibül.

Minuten, Stunden so verrinnen,

in denen ich mich will besinnen

und ordnen endlich das Gewühl,

 

das fast zersprengt jetzt meine Brust.

Dann endlich wird es in mir still

wie abends spät auf einer Alm

 

des Alten Kontinents, o Lust!,

so plötzlich in mich fließen will

zusammen mit des Puros Qualm.

 

 

30

 

Ideale Vitola

 

Das Leben ich nicht gern verschwende,

doch sticht mich oft ein Lungenschmerz.

Geht’s mit dem Leben schon abwärts?

Ist seine Mitte schon das Ende?

 

Wenn bloß ich noch die eine fände,

bevor mir stehen bleibt das Herz –

denk ich halb ernst und halb im Scherz –,

die eine, die ein Gott mir sende

 

und die mit ihrem Rauch zurück

mir gäbe dunkles fernes Glück,

den Duft der freudigeren Tage.

 

Den heut’gen Tag ich heiter pflück

und such gelassen nach dem Stück,

dass endlich endet meine Plage.

 

 

31

 

Cigarrenpoeten

 

Sie schmecken Nelke, Amber, Birne,

Holz, Pilze, Moos und Kardamom,

Backpflaume, Zimt und Harzarom.

Gespeichert ist in ihrem Hirne

 

der Duft von Meertang und vom Firne,

Wachholder, Haselnuss und Brom,

bald Weihrauchnoten wie in Rom,

bald Pfirsichhaut von einer Dirne . . .

 

Doch glaub ich nicht, dass viele schmecken,

was wortereich sie vorgelegt.

Was also soll die Poesie?

 

Sie will mich nur im Wissen necken,

dass meine Sinne sind belegt –

Ich riech und schmeck es nämlich nie.

 

 

32

 

Hundstage

 

Als wollte Gott die Erde braten,

brennt die Sonne, furchtbar heiß;

die Stirne glänzt in hellem Schweiß

und auf den Äckern welken Saaten.

 

Ein jeder möcht im Wasser waten

vom Kinde bis zur letzten Geiß;

erlahmt ist jetzt der Arbeitsfleiß

und auch der Drang zu andern Taten.

 

Blau ist der Himmel wie aus Lack.

Ich sehne mich nach kaltem Stein,

nach Wasser und dem kühlen Hain

 

und endlich auch nach dem Tabak,

der Not tut wie der frische Wein,

bei dieser Hitze Mensch zu sein.

 

 

33

 

Verlust und Gewinn

 

Mein Freund Armando Juan de Flores

verlor fast all sein Hab und Gut,

und halb verrückt in seiner Wut

rief er: „O tempora, o mores!“.

 

Verlor sein Haus, verlor Dolores

– die jetzt bei einem andern ruht

mit neuer starker Liebe Glut –.

Ganz kurz gesagt: futsch und kapores!

 

Gold war das eine, das ihm blieb,

und ins Verstecke wie ein Dieb

schlich nachts er zu den schweren Barren.

 

Doch hatt’ er auch die Puros lieb,

und plötzlich, wie mit einem Hieb,

entschied er sich für die Cigarren!

 

 

34

 

Platzregen

 

Von drinnen schweift der Blick ins Nasse

Durch fahles neblig-gelbes Licht,

das dämmrig scheinen lässt die Sicht,

hinaus auf eine schmale Gasse,

 

durch welche sich des Schlammes Masse

die Bahn zur großen Straße bricht.

Der Regen trommelt laut und dicht,

ich alle Hoffnung fahren lasse . . .

 

Doch findet sich – ein gutes Omen! –

Noch einer jener dunkeln Stengel,

die Gringos nennen Horror-Bengel.

 

So schwelg ich herrlich in Aromen,

vergessend völlig alle Mängel

und sanft berührt von meinem Engel.

 

 

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